Archiv für ya basta

Aus der Ruhe gebracht

Posted in uni with tags , , , , , , , , , , , , , , , , , on 13. Februar 2009 by Jakob

Ich hätt‘ es ja schon viel früher gemacht. Gestern haben meine Kommilitonen unseren Philosophie-Prof doch nun so weit aus der Ruhe gebracht, dass er schlicht keine Lust mehr hatte, unter den gegeben Umständen über Kommunikationsphilosophie zu sprechen. Verärgert über die Unruhe und darüber, dass keiner seinen Worten Aufmerksamkeit schenken wollte, packte er sein Köfferchen wieder zusammen, knallte die Tür und verließ die Uni.

Ich hätte ihn zu diesem Schritt beinah beglückwünschen wollen. Denn genau daran hatte ich in meiner neuen Fakultät schon häufiger gedacht: Warum packst Du nicht einfach deine Sachen und gehst? Beeindruckend, dass auch ein mexikanischer Dozent angesichts seiner Studenten aufgeben kann und schlicht hinschmeißt. (Ich fürchtete schon, ich sei der Einzige, der nicht in Schulhofatmosphäre über Philosophie nachdenken kann.)

PS: Ärgerlich nur, dass ich den langen Weg zur Uni so früh absolviert hatte, und nun noch zwei Stunden auf mein PR-Examen warten musste. Aber das absolvierte ich später mit „Sehr gut!“ *Prahl*!

Zu Besuch bei der Guerilla – mal wieder in Chiapas

Posted in am Rande, Viajando! with tags , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , , on 3. Februar 2009 by Jakob

Nach einem Monat (fast) wieder in Puebla hat es uns mal wieder in den Beinen gejuckt, und so habe ich vergangene Woche für Enora und mich einen FEnora und ich am Flughafen von Tuxtlalug nach Chiapas, nach San Cristóbal de las Casas gebucht. Ich selbst war bereits im Dezember zwei Mal dort, hatte aber große Lust, diese wirklich sehr schöne und auf jeden Fall sehenswerte Stadt in Chiapas in Südmexiko, Enora zu zeigen.Also fielen wir am Freitag Morgen recht früh aus dem Bett und machten uns auf zum Flughafen nach México. Dort bestiegen wir eine Fokker 100, die uns in anderthalb Stunden in den Süden Méxicos, nach Tuxtla de Gutierrez, der Hauptstadt des Bundesstaates Chiapas flog.

Weil uns die Taxi-Preise überzogen vorkamen, entschlossen wir uns, uns laufend vom Flughafen zu entfernen, und irgendwo einen Micro zu besteigen. Nach knapp zwei Kilometern hupte uns ein Auto an, und eine mexikanische Familie lud uns ein, mit ihnen nach Tuxtla zu fahren. Es sollten doch noch knapp 30 Kilometer bis dahin sein. Wir hatten also Glück.

Handgearbeitete Tiere auf dem MarktAls wir am Abend letztlich in San Cris ankamen, buchten wir uns im selben Hostel ein, in dem ich bereits genächtigt hatte und machten uns auf den Weg, den traditionellen Handwerksmarkt zu besuchen. Leider gab es nicht viele Stände, wie sonst, und so entschlossen wir uns, den Abend in einem der coolsten Kinos zuverbringen, die mir bislang über den Weg gelaufen sind: Das Kinoki in San Cristóbal. Das Kino ist mit Sofas und Campingsesseln mit Fußstützen ausgestattet und verfügt über eine kleine Terasse, die wie ein Hochbett mit Matratzen und Kissen ausgestattet ist. Zum Film kann man aus dem reichhaltigen Angebot einen heißen Tee schlürfen, oder etwas essen. Und das Filmangebot widmet sich unabhängigen Produktionen aus México, die hauptsächlich die problematische Lage der indigenen Bevölkerung in Chiapas thematisieren. Ein Muss, wenn man in San Cris ist!

Handgearbeitete Hosen auf dem Markt in San Cris

Nachdem wir den Abend in einer gemütlichen Vinothek ausklingen ließen, starteten wir am Samstag spät in den Tag und widmeten uns vor allem dem Shoppen von traditionellen Handwerks-utensilien, die in San Cris besonders günstig und direkt von den Indigenas auf dem Markt angeboten werden. Ich legte mir eine ziemlich bunte Hose zu, Enora einen warmen Schafsfellpulli, iSchlafen auf dem Marktch kaufte Kaffee aus der Region und noch die ein oder anderen Mitbringsel, wenn ich denn mal wieder in Deutschland aufschlage.

Am Abend überlegten wir, dass wir gern am Sonntag mit einem Moto durch die Region fahren würden, oder, wenn irgend möglich, eine Zapatisten-Gemeinde besuchen könnten. Wir hatten beide keine rechte Ahnung, wie wir das anstellen sollten und dann trafen wir in einer Bar auf Manuel, einem Professor der UNAM in San Cris, der uns einen Besuch bei einer Zapatisten-Gemeinde (Caracol) anbot. Er selbst hat viele Artikel über die Bewegung geschriebManuel und die Autonome zapatistische Selbstverwaltung von Oventicen, forscht über die Guerilla und über die wurzeln indigener Traditionen der Maya-Abkömmlinge in der Region. Wir sagten zu und machten uns am Sonntag Morgen mit Ihm, drei Argentinierinnen und zwei deutschen Mädels auf den Weg ins Autonomiegebiet des Ejército Zapatista de la Liberación Nacional (EZLN), die seit 1996 einige Gemeinden in der Region für autonom erklärt hat, und dort sich selbst verwaltet. Mexikanische Behörden haben keinen Zugang, vom Gericht über die Verteidigung, Sicherheit, Krankenhäuser und Schulen organsieren sich die Zapatisten in diesen Gemeinden seit 2003 selbst. Dazu vielleicht ein kleiner Ausflug in den Konflikt von Chiapas, der 1994 in die Weltöffentlichkeit drängte.

Wachposten am Eingang der Zapatisten-Gemeinde

Hintergrund:

Am 1. Januar 1994 besetzte die indigene Guerilla (Zapatisten) fünf  Städte in Chiapas in Südmexiko und überraschte damit die mexikansiche Regierung und das Militär. Eine bewaffnete Vorhut entwaffnete unter anderem in San Cristóbal die Polizei und das Militär und protestierte mit der Besetzung von öffentlichen Institutionen gegen die Unglaichbehandlung der indigenen Bevölkerung in dieser Region. Ya basta! Es reicht! war der Schlachtruf und sie forderten Libertad, Democracia, Justicia y Paz! (Freiheit, Demokratie, Gerechtigkeit und Frieden). Über Jahrzehnte hatten Großgrundbesitzer, multinationale Konzerne und nicht zuletzt die Bundesregierung Mexikos die Indios der Region ausgebeutet, schwere Arbeit kaum entlohnt und über deren Ländereien und Region über deren Köpfe entschieden. Das wollten sie sich nicht länger bieten lassen und riefen den Krieg gegen die Regierung und das Militär aus. Ziel sollte ein MArsch auf Mexico City sein, um dort die Regierung zu stürzen und für die eigenen Vorstellungen einzutreten. Allerdings schlug der Versuch fehl und nach einigen Tagen des Kampfes zogen sich die Zapatisten aus den besetzten Städten zurück.

Der Eingangs-Checkpoint in Oventic1995 hatte Mexico dann genügend Militär in der Region zusammengezogen, um die Zapatisten anzugreifen. Allerdings endete der Angriff mit einer Niederlage des Militärs und die Bundesregierung verlor die Kontrolle über einige Regionen in der Selva Lacandona, die die Zapatisten von nun an für autonom erklärten.

Zwar wurde von beiden Seiten auf großen internationalen Druck hin der Dialog gesucht, jedoch scheiterten bis heute alle Versuche, den Konflikt friedlich zu lösen. Aus Sicht der Zapatisten wohl auch daran, dass die Regierung niemals ehrlich an einer friedlichen Lösung interessiert war, sondern diese lediglich dazu nutzt, um weiteres Militär in der Region zu stationieren. Darunter bildete das Militär auch paramilitärische Einheiten aus, die 1997 schließlich in der Region ein Blutbad unter Sympathisanten der Zapatisten anrichtete. Sie überfielen eine zum Gottesdienst versammelte, katholische GWandmalerei in Oventic - Zapatist mit Gewehremeinde und schossen auf alles was sich bewegte. 45 Menschen wurden bei diesem Blutbad getötet, darunter viele Frauen und Kinder. Der Überfall war Teil einer Low-Intense-War-Strategie, die über kurz oder lang die Unterstützung der Zapatisten in der Region zerreiben sollte. Die Anführer der Zapatisten, darunter der wohl bekannte Subcomandante Marcos (der in der Tradition von Emiliano Zapata und Che Guevara gesehen wird) flüchteten in die Berge und hielten sich zurück. Der 2000 ins mexikanische Präsidentenamt gewählte Vicente Fox versprach großspurig, den Zapatistenkonflikt „in 15 Minuten“ zu lösen, konnte aber auch nach Ablauf seiner Amtszeit weder Fortschritte, noch Erfolge verzeichnen. Weil unter ihm der Dialog zum erlahmen gekommen war, brachen die ZApatisten den Dialog ab und entschieden, von nun an sich selbst zu verwalten. Die einzige Forderung: Die Regierung (el mal gobierno) müsse das respektieren und sich aus der Region aushalten.

Und so tut sie das offiziell auch weitesgehend und verleugnet, dass es in Chiapas weiterhin einen Konflikt gebe. Dass inzwischen über 70.000 der 220.000 mexikanischen Soldaten stationiert sind und vorrangig um die Zapatistenregion kaserniert sind, spricht da für sich.

Wandbemalung der autonomen Schule von OventicHeute haben die Zapatisten in ihren Gemeinden „Juntas del buen Gobierno“ (Junta der guten Regierung) gebildet und versuchen, dass Leben unabhängig vom Staate Mexiko zu organisieren. Sie stützen sich dabei vor allem auf die Hilfe weltweit engagierter linker Organisationen, Globalisierungsgegner und Menschenrechtler, die ihre Bewegung unterstützen.

Man muss dazu anfügen, dass sie Zapatisten durchaus im linken Spektrum zu suchen und zu finden sind, allerdings keinen klassischen Sozialismus oder Kommunismus vertreten oder wollen. Ihr Kampf gilt der Ausbeutung unterer Schichten, indigener Völker, dem Neoliberalismus und der Globalisierung, die aus ihrer Sicht die Lasten auf die armen Länder verteilt, während sich die reichen Länder den Profit unter den Nagel reißen.

Inzwischen haben sie in ihren Gemeinden Schulen, Kindergärten, und Krankenhäuser aufgebaut und leben eine sehr direkte Form der Demokratie. Fragen, wie ein neuer Bus für die Gemeinde oder Organisation der Schulen werden in gemeinsamen Sitzungen besprochen und LAutonome Selbstverwaltung in San Andresösungen gesucht. Auch Gerichte unterhalten die Zapatisten, an denen sie Streitigkeiten untereinander verhandeln.

Unser Besuch

So weit, der kleine historische Überblick mit Einblick in dei Bewegung. Wir machten uns also auf den Weg und kamen am Mittag in San Andres an, einem Dorf in den Bergen, in dem die Hälfte für und die andere Hälfte gegen die Zapatisten ist. Wir schauten uns zwei Märkte an (einen zapatistischen und einen der Regierung) und zogen weiter nach Oventic, in eine Verwaltungsbasis der Zapatisten.

Die Junta del buen Gobierno in OventicDort angekommen musste Manuel unsere Ausweise vorlegen und wir wurden ausführlich über den Zweck unseres Besuches befragt. Später wurden wir der Verwaltungs-kommission vorgestellt, die uns eine Permiso für die Comunidad ausstellte und uns weiter an die Kommission de explicación überstellte. Diese Kommission bestand aus drei maskierten Männern, die uns die Geschichte und die Bewegung der EZLN und der Zapatisten erklärten und uns viel Raum für Fragen ließen. Später beteuerten sie, wie sehr sie sich über unseren Besuch freuen würden, und wie wichtig es für sie sei, dass sich Menschen aus aller Welt für ihr Problem interessierten.

Zapatistisches Krankenhaus von OventicNachdem wir uns in einem kleinen Fotomarathon von der letzten offiziellen Kommission verabschiedet hatten, schauten wir uns im Dorf um. Alle Häuser waren bunt bemalt: die Forderungen an der Wänden und die Ideen einer neuen Welt (un mundo en que caben muchos mundos – eine welt, in die viele welten passen), Portraits von Emiliano Zapato und Ché Guevara fehlten ebensowenig, wie immer wieder Libertad! Democracia! Paz! und Justicia!

Auch das Krankenhaus von Oventic ist bunt bemalt und verfügt sogar über eine Ambulacia Zapatista, einem modernen Der Krankenwagen der ZapatistenVW-Krankenwagen. Beeindruckend war es in jedem Fall, zu sehen, wie sie ihr Leben absolut allein auf die Beine stellen, sich organisieren und sich so gegen den Eingriff des mexikanischen Staates wehren.

Etwas mulmig war uns anfangs schon zumute, als wir in die Comunidad kamen und überall maskierte Wachposten standen, die Verwaltung und alle „öffentlich“ Angestellten in Skimasken auftraten. Am Ende stellten sie sich aber alle als sehr offene Menschen heraus, die für ihre Ideale kämpfen – für Freiheit, gegen Unterdrückung, Gleichbereichtigung, Frieden und wahre Demokratie. Und wer sich auch nur ein quäntchen mit der mexikanischen Politik beschäftigt, wird vor allem die letzte Forderung für verständlich halten, ist doch gerade hier die Demokratie durchsetzt und unterwandert von Korruption, Politikern die sich ihre eigenen Gesetzte machen, und Sicherheitsbehörden, die vom Drogenhandel infiltriert und gesteuert sind (Letzter Titel der politischen Wochenzeitung Proceso: Der Narco steuert den Anti-Drogenkrieg (Artikel in ES)).

Am Abend besuchten wir noch mit Manuel Chamula, eine sehr traditionelle indigene Gemeinde in der Nähe von San Cris und er erzählte uns noch über die Vermengung von indianischen Gottheiten und katholischen Symbolen.

Rückflug über La MalincheAm Ende hatten wir ein wirklich spannendes, neues Bild von Mexico und von Chiapas im speziellen bekommen und waren sehr froh, den Ausflug mit Manuel gemacht zu haben.

Am Montag ging es dann morgens wieder zum Flughafen nach Tuxtla und am Nachmittag waren wir wieder zurück in Puebla – voller neuer Eindrücke und spannender Erlebnisse.

Mehr?

ALLE Bilder aus dem Besuch der Comunidad Zapatista Oventic Caracol II gibt es hier und in der Seitenleiste. Infos zur Zapatistenbewegung gibt es in einer Übersicht bei Wikipedia(DE), etwas ausführlicher auf Spanisch hier und hier und aktuelle Nachrichten zum Konflikt bei indymedia mexico (ES).

Mein Kumpel Fabian hatte bereits im September 2008 Oventic besucht und danach einen Artikel darüber auf Indymedia in Deutsch verfasst. Kurz und lesenswert.